HannoPilartz Erfahrener Benutzer
Alter: 69 Geschlecht: Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 1201
Wohnort: Honerath/Adenau Entfernung: 0 km
|
Verfasst am: 13.01.2011, 15:08 Titel: Equiden im Krieg |
|
|
Aufgrund der Diskussion über die Traglasten, die die Bundeswehr ihren Tragtieren zumutet, habe ich mir einen "featured article" des englischsprachigen Wikipedia-Seite mit dem Titel "Horses in World War I" angeschaut.
Man geht allgemein davon aus, Armeen wären zumindest in der Zeit als die Kavallerie noch kriegsentscheidend sein konnte, möglichst pfleglich mit ihren Tieren umgegangen.
Die Herresdienstvorschrift 12 in ihren verschiedenen Fassungen über Haltung, Ausbildung Ausrüstung und Einsatz von Kavalleriepferden gilt vielen als sehr tierfreundlich, weil man damals halt mit Kaisers Groschen möglichst effizient umgehen wollte, was letztlich den Tieren zugute kam.
Auch der Deutsche Heeressattel in seinen verschiedenen Ausführungen gilt bis heute unter Wanderreitern als ein äußerst gebrauchstüchtiges Teil. Es gibt erstaunlicherweise noch recht viele davon im aktiven Einsatz.
Allerdings förderte der oben genannte Artikel auch anderes zu Tage:
- Die Kavallerie der kuk-Monarchie Österreich hatte wenige Wochen nach Beginn des 1. Weltkrieges etwa die Hälfte ihrer Reitpferde dienstuntauglich wegen Satteldruck, die andere Hälfte war großenteils aus dem gleichen Grund nur noch bedingt einsetzbar. Ursache war ein untauglicher Armee-Reitsattel, der flächendeckend in der österreichischen Kavallerie eingestzt wurde.
- Die Briten verloren im gesamten Krieg fast eine halbe Million Pferde, und eine knappe Million Soldaten. Zu Kriegsbeginn war das Zahlenverhältnis Menschen zu Pferde etwa 1 zu 3 (in Deutschland und Östereich ebenso). Während 80% aller toten britischen Soldaten auf Feindeinwirkung hin umkamen, waren das bei den Pferden nur 25%. Der Rest starb an Erschöpfung, Unterernährung und Krankheit.
- In der Verdun-Schlacht starben an einem einzigen Tag über 1.000 Pferde durch Granat-Feuer. Ein einzelner Schuß aus einem französischen Marine-Geschütz, welches im "Land-Einsatz" war, tötete 97 deutsche Pferde. Hochblutige Pferde waren wesentlich empfindlicher gegenüber Geschütz-Lärm als robustere Tiere, die weniger hoch im Blut standen. Diesen war viel leichter beizubringen, sich bei Geschützlärm von selbst hinzulegen.
- Berittene Attacken erwiesen sich schon zu Beginn des 1.Weltkriegs zumindest an der Westfront also schwierig bis aussichtslos. Hohe Verluste führten zu der Auffassung "Eine Kavallerie-Attacke macht erst dann Sinn, wenn das letzte feindliche Maschinengewehr erobert ist". Was selten bis nie gelang....
Für den Nachschub und die Bewegung von Geschützen waren Pferde aber kriegsentscheidend wichtig. Vor allem im Schlamm kamen Pferde weiter, die Motorfahrzeuge aus der Frühzeit der Automobil-Entwickung aber nicht. Oft wurden Equiden derart bis zur Erschöpfung gefordert, dass sie im knietiefen Schlam ertranken. Sie legten sich hin und waren zu erschöpft, um die Nüstern hoch genug halten zu können....
Das allergrößte Nachschub-Problem war die Beschaffung und der Transport von ausreichenden Mengen Pferdefutter, denn ein Pferd brauchte eine Tagesration, die 10 Mal soviel wog wie die eines Menschen.
Die Deutsche kaiserliche Armee hatte gegen Kriegsende sowohl zu wenig Zug- und Reittiere als auch zu wenig Futter, um die wenigen Tiere adäquat zu ernähren. Was letztlich die Kriegslogistik der Deutschen kriegsentscheidend beeinträchtigte....
Nachdem die von den Deutschen erbeuteten Pferde (375.000 in eroberten Frankreich, 140.000 in der Ukraine) "aufgebraucht" waren...
- Pferde waren nachweislich wichtig für die Moral der Truppe. Bei der Rekrutenwerbung wurde auf Plakaten oft die Kameradschaft zwischen Soldat und Pferd romantisierend dargestellt. Allerdings bedeuteten die riesigen Mengen Pferde durch Exkremente und Kadaver auch ein gewaltiges hygienisches Problem, wodurch letztlich auch zahlreiche Krankheiten von Soldaten gefördert wurden....
- Wieviel Langohren (Mulis und Esel) im 1.Weltkrieg im Einsatz waren, habe ich nicht heraus finden können. Als sicher gilt, dass die U.S. Army ganze Schiffsladungen mit Mulis nach Europa schickte. Auch Esel müssen im Einsatz gewesen sein, denn mein Freund, der Eselzüchter Helmut Retterath aus Mendig/Eifel, besitzt Esel-Geschirre der U.S. Army, deren Herkunft einen Einsatz im 1. Weltkrieg in Europa vermuten lassen.
- Nach Kriegsende ging es den überlebenden Pferden oft erst recht an den Kragen. Von der rd. 136.000 australischen und neuseeländischen Kavalleriepferde kehrte nur ein einziges nach Hause zurück, die anderen wurden in Europa verkauft und nicht selten geschlachtet.
- Es gab Gasmasken für Pferde sowie Gas-Strümpfe, um sie gegen Senfgas-Attacken zu schützen. Leider verwechselten viele Pferde die Gasmaske mit einem Fress-Sack und machten sie kaputt. Insgesamt kamen aber nur rd. 200 Pferde im 1. Weltkrieg durch Giftgas um.
Fazit: Menschen haben Tieren immer schon Unglaubliches angetan, aber Equiden und Miltär ist vor dem Hintergrund der letzten beiden großen Europäischen Kriege ein sehr heikles Thema..... _________________ Trouble rides a fast horse; Forgiveness rides a mule |
|