HannoPilartz Erfahrener Benutzer
Alter: 70 Geschlecht: Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 1201
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Verfasst am: 12.08.2009, 15:37 Titel: Bishop Mule Days 2009 |
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Diesmal hatte die beste Ehefrau von allen den Flug nach L.A. gebucht. Zum Leidwesen unserer Mulifreunde Nancy und Mike. Die wohnen nämlich im Napa Valley eine Stunde vom San Francisco Airport, und rechneten damit, dass wir auch bei Ihnen vorbei schauen würden. Aber die Gattin hasst Routine, frei nach dem Motto „Schatz, da waren wir doch schon mal…“
Es war also ein Entgegenkommen meiner Liebsten, das wir nach 2007 nun zum zweiten Mal im Mai in Bishop (3500 Einwohner) aufschlugen. Trotz seiner Winzigkeit findet man es leicht auf jeder Kalifornien-Karte. Warum? Weit und breit im Umkreis von hunderten Meilen ist nichts anderes! Wir befinden uns auf der Ostseite der Sierra Nevada, nur wenige Meilen Luftlinie zum Mount Whitney, dem höchsten Berg der U.S.A. ohne Alaska.
Bishop ist seit Jahrzehnten ein Zentrum der Packer. Die gewaltige Bergwelt dort ist zum sehr überwiegenden Teil National Park oder „Wilderness Area“, also gesetzlich geschütztes Gebiet. Straßen gibt es keine, und es gilt ein striktes Überflugverbot. Alles was da hoch in die Berge soll, muss getragen werden, denn auf den Pfaden können und dürfen auch extrem geländegängige Motorfahrzeuge nicht fahren. DAS ist die Lebensgrundlage für eine Handvoll Pack Stations, die oft mit mehr als hundert Mulis Wetter- und Ranger-Stationen, Jäger- und Pfadfinder-Camps und was-weiß-ich-noch in den Bergen mit allem Notwendigen versorgen.
Vor 40 Jahren hatten die Packer begonnen, sich in Bishop am Memorial Day-Wochenende (immer das dritte Wochenende im Mai) zu treffen und ein paar Wettbewerbe zu veranstalten. Je nach Wetter geht in etwa um dieses Wochenende die Pack-Saison los. Vorher liegt oft noch zuviel Schnee in den Bergen.
Aus diesen zunächst kleinen Treffen wurde eine Veranstaltung mit über 30.000 Besuchern und 800-900 aktiv teilnehmenden Mulis nebst Reitern oder Fahrern. In amerikanisch-bescheidener Art nennt sich Bishop daher „die Maultier-Hauptstadt der Welt“ und die ca. 180 verschiedenen Wettbewerbe auf dem großen Tri-County-Fairground gereichen zu einem „Weltmeister-Titel“. Dass nicht einmal die östlichen Bundesstaaten der U.S.A. in Bishop wegen der langen Anreise hinreichend vertreten sind, stört niemanden, immerhin kommen ein paar Mexikaner und 2 oder 3 Kanadier, das muss für „internationales Flair“ reichen.
Kaum jemand wohnt während der Mule Days im Hotel. Fast jeder ist mit Camper da. Einige zelten, so wie wir. Die Atmosphäre in den Camps ist das erste High Light von Bishop. Es geht sehr freundlich, herzlich und gastfrei zu. Oft wird man angesprochen und eingeladen.
Direkt links am Eingang von Campground Number One ist der Stammplatz des 66-jährigen George Duke. Er kommt seit vielen Jahren mit einer Gruppe von 20-30 Freunden und Verwandten. In 2007 hatten wir das Glück, bei George und seiner Gruppe herzliche Aufnahme zu finden. Wir wurden in schier unglaublicher Weise bekocht und bewirtet. Da die meisten wie George etwas älter sind, wird da noch richtig gekocht, nix Convenience oder gar Fast Food….
Dieses Jahr schafften wir es gar nicht bis zu unserem gebuchten, weiter draußen liegenden Zeltplatz, wir wurden direkt von George und seinen Leuten „okkupiert“, nach dem Motto „Hier ist doch Platz genug, was wollt Ihr immer so weit laufen… und überhaupt, wo wart Ihr letztes Jahr….“
Kaum war das Zelt aufgebaut, saßen wir schon mit alten Freunden auf der Tribune und sahen uns die Vorläufe im Stil-Springen an. Jawohl, Dressur und Springen mit Reitern angezogen wie Pinguine gibt es – natürlich nur auf Maultieren – durchaus auch in Bishop.
Stell’ Dir vor, Du sitzt bei lauschigen 26 Grad in der Sonne auf der Tribune, unten zeigt ein zauberhaft sanft gerittenes Dressur-Muli (vermutlich aus einer Vollblut-Stute gezogen) eine sehr gute L- oder M-Dressur, und im Hintergrund hast Du links die schneebedeckte Sierra Nevada, und rechts im Osten die kargen, aber nicht weniger imposanten White Mountains. DAS, Freunde, IST Bishop!!!
Ab Dienstag sind die Vorläufe für die großen Wettbewerbe. Neben Dressur und Springen sind das Barrel Racing getrennt für Mulis und Esel, Pole Bending, Keyhole Race, Reining, Trail, Cutting, Team Penning, Roping, diverse Fahrwettbewerbe ein- und mehrspännig, Rennen für Mulis, Esel und Zweispänner (römische Wagen), diverse Spaßwettbewerbe und schließlich als High Light die diversen Wettbewerbe der „Helden der Berge“, der Packer, wie Wettpacken, Pack String Trail und als der absolute Brüller das Pack String Scramble. Hierbei kommen 5-6 Pack Teams bestehend aus drei Reitern (1 Führer und zwei Helfer) sowie 5 Pack-Mulis in die riesige Arena. Alle Tier müssen zunächst „nackig“ gemacht werden, also abgepackt, abgesattelt und Zäume/Halfter runter. Rodeo-Clowns sorgen mit Schreckschußpistolen und anderem Unfug zunächst für ein heilloses Durcheinander (halt der Scramble), dann erfolgt auf Startschuß zunächst das Einfangen, dann das Zäumen und Satteln aller Reit- und Packtiere und schließlich muss jedes Team mit allen Reiter und Packtieren inkl. Gepäck eine große Runde über die ca. 1,5 Meilen lange Ovalbahn um die Arena herum drehen. Erst wenn das ohne Gepäck- und/oder Reiterverlust geschafft ist, erhält man eine Platzierung. Alles geschieht unter großem Gejohle der Zuschauer. Oft passiert es, dass ein noch nicht eingefangenes Tier eines Teams mit den Reitern und Packtieren eines anderen Teams, welches bereits auf die Piste geht einfach mit läuft. So ein Pech auch…. Schon das Verlieren von Gepäck auf der Ovalbahn reicht für eine Disqualifizierung.
Insgesamt sehr viel Unterhaltung bieten die Abend-Shows am Freitag und am Samstag. Zum vierzigjährigen Geburtstag der Mule Days hatte man dieses Jahr erneut das legendäre 20-Mule-Team reaktiviert. Es handelt sich um drei hinter einander gehängte schwere Frachtwagen, die von 20 Mulis gezogen werden. Es gibt keinen Kutscher mit Leinen in der Hand, sondern einen „Out-Rider“, der auf dem hintersten linken Maultier reitet und die 19 anderen Tiere auf Zuruf und Zupfleine dirigiert, ähnlich wie man das in Europa bei Rückepferden sehen kann. Die je 10 Maultiere einer Seite sind mit ihrem Ortscheit in einer Art Ankerkette eingehängt. Damit das endlos lange Gespann überhaupt um die Ecke kommt, müssen die Mulis an den 3. und 4. Positionen über die Kette springen und zum Kurvenaußenrand ziehen, damit die Kette einen Bogen macht. Noch vor gut 100 Jahren wurden solche Gespanne für Schwertransporte in den Wüsten und Halbwüsten Kaliforniens eingesetzt.
Die Abendshows werden von den national sehr bekannten Rodeo-Sprechern Bob Tallman und Bob Feist moderiert. Letztgenannter reitet dabei immer auf einem kleinen Muli namens Tequila mit einem drahtlosen Mikrofon in der Hand in der Arena umher. So ist er immer dicht am Geschehen. Da Mr. Feist schon ein älterer Herr ist, dachten wir zunächst, Tequila wäre ein ganz braves, älteres, sicheres Tier. Doch weit gefehlt. Die Stute gehört einer bekannten mexikanischen Familie, die auf den Mule Days regelmäßig Roping-Wettbewerbe gewinnt. Wer Tequila je als Roping Mule im Renngalopp gesehen hat, wundert sich nicht schlecht, dass Bob dieser kleinen „Rennsau“ seine alte Knochen anvertraut.
Der große Star der Bishop Mule Days ist „Tuff Stuff“, ein recht schmächtiger, eher unscheinbarer Buckskin-Wallach. Er wird geritten von Tim Phillips, einem Muli-Trainer aus Idaho, der mehr Preise in Bishop gewinnt als jeder andere. „Tuff Stuff“ ist der lebende Beweis der unglaublichen Vielseitigkeit mancher Mulis. Er tritt schlicht in allen Disziplinen an, bei denen es nicht auf Höchstgeschwindigkeit ankommt, also Springen, Dressur, Trail, Fahren, Reining, Roping, Cutting etc. Mitunter gewinnt er, zumeist die Reining, selten bis nie kommt er NICHT unter die ersten fünf. In den letzten Jahren stellte er ausnahmslos den Overall Champion.
Beim Opening Dinner am Mittwoch erlebten wir 2007 einen ganz toll spielenden Dave Stamey, in diesem Jahr waren die „Riders of the Purple Sage“ nicht so ganz nach unserem Geschmack.
Der Höhepunkt der Mule Days ist die große Parade über die Main Street von Bishop am Samstagvormittag. Sie gilt als die längste nicht-motorisierte Parade der U.S.A. Besonders schön sind sie vielen historischen Fahrzeuge, Kutschen, Planwagen aus der Pionierzeit, Feuerspritzen, 6- und 8-spännig gefahrene Frachtwagen von Priefert (Percherons) und Budweiser (Clydesdales).
Natürlich ist auch auf den Mule Days nicht immer alles toll. Insbesondere bei den „Rodeo-nahen“ auf Zeit gerittenen Disziplinen wie Barrel Racing, Pole Bending, Key Hole Race und Roping sieht man oft weniger feinfühliges Reiten und aufgerissene Muli-Mäuler.
Aber insgesamt scheinen Muli-Leute auch in den U.S.A. weniger vom Ehrgeiz geplagt zu sein als Pferdeleute.
Deshalb ist es insgesamt für die Tiere netter, es geht familiärer, freundschaftlicher zu. Sieger erhalten Applaus, aber ein kompletter Patzer bekommt auch noch seinen „Trost-Applaus“.
Als kulinarische Höhepunkte gab es bei unserem Freund George Elch, Hirsch und Schweinefilet vom Barbecue. Das ist so ein Mittelding zwischen Grillen und Räuchern, ergänzt durch Marinaden (das Schweinefilet lag vor der Zubereitung eine Weile in Apfelsirrup) und sog. „Rubbs“ (Gewürzmischungen zum Einreiben).
Mit Fiddelin’ Pete Watercrott hatte George wie üblich an einem Abend einen tollen lokalen Musiker in seinem Camp.
Traurig waren wir als wir von George hörten, dass er sein Maultier im letzten Herbst hat einschläfern lassen müssen. Das Tier wurde sagenhafte 59 Jahre alt. Bereits in 2007 hatte uns George erzählt, dass er ein 58-jähriges Muli besitzt. Als wir damals ungläubig drein schauten, meinte er grinsend „Ich weiß sein Alter ganz genau, denn ich war sechs Jahre alt als ich dieses Tier als Fohlen bekam. Und ich bin 64!“.
Wer mehr über die Bishop Mule Days wissen möchte, möge sich bei unserem Freund Mike Kerson (http://www.video-mike.com) eine DVD bestellen. Seit einigen Jahren macht Mike jedes Jahr einen launig-lustigen Film über das Geschehen rund um „Longears“ in Bishop. Selbst wer nicht so toll englisch kann, hat viel Freude an den Bildern. _________________ Trouble rides a fast horse; Forgiveness rides a mule |
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HannoPilartz Erfahrener Benutzer
Alter: 70 Geschlecht: Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 1201
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Verfasst am: 12.08.2009, 16:53 Titel: |
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Beate, ich wollte eh mit George telefonieren.....
Ich werde ihn fragen wie und warum er entschieden hat, seinen Alten einzuschläfern. Und dann hier berichten.
Wer je auf die Idee kommen sollte, da hin zu wollen: DAS IST ECHT KEIN AKT!!!!!
Flug buchen, Mietwagen bestellen, und per Internet ab Februar die Tickets online bestellen. FĂĽr etwa 120 Dollar bekommt man einen Zeltplatz und ein "All-Admission-Ticket", also ein Ticket, mit dem man an allen Tagen rein kann. Etwas teurer ist es, wenn man einen Platz auf dem "Grand Stand" will, der ist ĂĽberdacht. Braucht man aber nicht, es regnet so gut wie nie, und wenn die Sonne scheint, darf eh jeder auf den Grand Stand, reserviert ist er nur fĂĽr die groĂźen Abend-Shows.
In Bishop ist man "aufem Land"!!!! Die Leute sind nett und hilfsbereit, vor allem zu Deutschen, die nur wenig Schulenglish beherrschen.
Und wenn man die blöden Obama-Witze der Rodeo-Clowns mangels perfekter Englisch-Kenntnisse nicht versteht, stört das wenig....
(DAS hat mich doch ein wenig schockiert, wie reserviert diese Landeier gegenüber dem ersten farbigen Präsidenten sind.... nur von Video-Mike weiß ich genau, dass er Obama toll findet, aber Mike stammt auch aus San Francisco...) _________________ Trouble rides a fast horse; Forgiveness rides a mule |
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