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carol_kaye1 Erfahrener Benutzer
Alter: 43
Anmeldungsdatum: 01.01.2010 Beitrge: 751
Wohnort: Großraum Stuttgart Entfernung: 0 km
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Verfasst am: 24.03.2013, 16:16 Titel: Neulich im Turnierstall... |
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Gestern habe ich einen Freund in einem Turnierstall besucht - der gleiche in dem ich meine Pferde letzten Winter zum Einfahren hatte. Das Ambiente ist sehr gehoben, 80% der Pferdeunterbringungen halte ich jedoch für tierschutzwidrig, aber das ist eine andere Geschichte. Meine Pferde waren sehr großzügig in einem temporären Laufstall aus Panelboxen untergebracht, ausgerechnet der Großteil der dauerhaften Bewohner kann von so einem Luxus aber nur träumen...
Folgender Dialog spielte sich gestern abend ab, ich bin mir noch nicht schlüssig ob ich ihn als lustig oder doch eher traurig einstufen soll. Ich wartete gerade vor der Reithalle auf meinen Freund u. dessen Pferd, neben mir standen noch ein kleiner Junge mit seinen Eltern. Der Junge sagte in eine von mir nicht einsehbare Box ein freundliches "Hallo Esel!", was mich neugierig machte. Seine Mutter hingegen fand das gar nicht lustig und fragte ungläubig nach was er denn da gesagt habe!!! Der kleine Junge (beflügelt von der Beachtung) wiederholte nochmals dass da drin ein Esel stünde. Seine Mutter war nun vollends verärgert und erklärte dass wir ja wohl nicht in so (!) einem Stall wären! Ich konnte es mir jedoch nicht verkneifen und habe dem kleinen Jungen grinsend erklärt dass ich daheim einen halben Esel habe, was er nun furchtbar spannend und toll fand. Die Reaktion der Mama daraufhin war unbezahlbar. Sie wusste beim besten Willen nicht wie sie darauf reagieren sollte, und kompensierte dies zunächst mit einem absolut verblüfften Gesichtsausdruck. Die Situation war zugegebenermaßen nicht ganz einfach. Würde sie mich mit der Herablassung behandeln die eines Eselbesitzers gebühren würde könnte sich nachher womöglich herausstellen dass ich mein Grand-Prix Pferd scherzhaft hin und wieder als Esel tituliere (wenn es sich beispielsweise hin und wieder erdreistet einen eigenen Willen zu haben und den auch kundzutun). Genauso könnte ich aber trotzdem auch nur ein gemeiner Eselbesitzer sein... Ich habe das Rätsel dann gelöst und dem immer noch faszinierten Knirps erklärt dass das ein Muli, also halb Pferd und halb Esel sei. Nun war auch der Papa interessiert und erkundigte sich wo dieses denn stünde. Und wieder fand ich die Reaktion der Mama unbeschreiblich: sie entschied sich für die Option mir "Gesicht zu geben" und erklärte wortreich dass so ein Muli ja sicherlich viiiel mehr Pferd als Esel sei, zum Beispiel sei es ja sicher auch viel größer, bis auf die Ohren ja eigentlich fast ein Pferd etc...
Leider wurde dann die Situation durch die Ankunft meines Freundes unterbrochen. Aber Menschen gibts... da kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. Ich bin sehr froh dass in den Kreisen in denen ich normalerweise unterwegs bin so ein Langohrtier höchstens auf Interesse und positive Neugierde stößt, in unserem Stall ist sie aufgrund ihres freundlichen Wesens und trotzdem eigenwilligen Charakters sehr beliebt (sie ist halt ein liebenswertes Unikat ). Gestern jedoch bin ich mir wie auf einer Reise in ein anderes Jahrhundert auf einem anderen Planeten vorgekommen... _________________ “Think for yourself. Question authority”. Timothy Leary |
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Caprivi Administrator
Alter: 65
Anmeldungsdatum: 11.10.2004 Beitrge: 2171
Wohnort: Fockbek in Schleswig-Holstein Entfernung: 0 km
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Verfasst am: 24.03.2013, 17:38 Titel: |
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Eine Reise in einanderes Jahrhundert kann es schwerlich gewesen sein. Denn in früheren zeiten galten Maultiere als etwas besonderes. Sie waren auserkoren den Papst als Reittier zu dienen undwenn man es auf die heutige zeit überträgt, so waren seinerzeit Maultiere das, was heute die Sportwagen als Zweitwagen in elitären Kreisen sind.
Bedauerlicherweise hat sich dieses Bild vom Muli in den letzten zweihundert Jahren in unserem Land nicht erhalten, und selbst die Chance sie als Arbeitstiere nach dem Krieg von der Amerikanischen Armee überlassen zu bekommen wurde nur als Almosen gesehen.
Horsemanship in seiner ursprünglichen Bedeutung hat auch etwas mit Intelligenz zu tun und da hat sich die Mutter selber einen Spiegel vorgehalten. Wenn es nicht so traurig wäre, weil so verbreitet, würde es tatsächlich zum Schmunzeln taugen. Der Sohn und der Vater geben Anlass zur Hoffnung. |
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carol_kaye1 Erfahrener Benutzer
Alter: 43
Anmeldungsdatum: 01.01.2010 Beitrge: 751
Wohnort: Großraum Stuttgart Entfernung: 0 km
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Verfasst am: 25.03.2013, 16:26 Titel: |
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Hallo Holger,
da hast Du Recht! Mit "Reise in ein anderes Jahrhundert" dachte ich weniger die oben geschilderte Esel-/Muli-Episode (die war noch der unterhaltsamste Teil des Besuchs) als eher an die allgemeinen Haltungsbedingungen und kleingeistigen Weltbilder der dort ein- und ausgehenden Menschen. Wie gesagt, meine Pferde hatten es dort gut, aber ich bin nachträglich selbst überrascht wie ich in diesem Umfeld mit meinem doch anderen Weltbild so lange überleben konnte. Die meisten Boxen haben eine Grundfläche von unter 9m², und die Pferde haben im Durchschnitt (!) 170cm Stockmaß... Der Großteil der Stallungen ist niedrig und dunkel, und keiner außer mir scheint sich so wirklich dran zu stören. Wohl den Pferden die noch einigermaßen denkende Besitzer haben, denn diese dürfen zumindest einmal am Tag frei toben, andere (deren Besitzer ein Pferd nur als Statussymbol halten) verbringen fast den ganzen Winter in so einem Kerkerloch...
Ich habe mehrfach Konzerte in der Justizvollzugsanstalt Stammheim veranstaltet und gespielt und mich bei diesen Gelegenheiten auch mit den Häftlingen unterhalten, Zellen besucht u. die Anlage besichtigt. Obwohl mir ja klar war dass mein Aufenthalt nur für wenige Stunden sein würde war meine Erleichterung die Zellen und Gitter hinter mir zu lassen jedes Mal unbeschreiblich. In diesem Fall weiß ich aber, dass die Insassen so einen Aufenthalt selbst über sich gebracht haben und dieser i.d.R. (ob das nun gut oder schlecht ist) nur für begrenzte Zeit ist. Was aber haben die Tiere, unsere "Lieblinge" verbrochen die tagein, tagaus unter denselben Bedingungen darben müssen?!
Ich hatte letztes Jahr um eine ähnliche Zeit vom Fall eines Pferdes berichtet (bzw. Hanno hatte mich zitiert ) das am selben Hof in einer luxuriös großen Box untergebracht war. Diese ist aber leider von allen Seiten zugemauert, an der vierten befindet sich ein kleines vollvergittertes Fenster. Dieses Pferd hatte den ganzen Winter über bis auf kurze Trainingseinheiten in der Reithalle keinerlei Blick- oder sonstigen Kontakt zu anderen Pferden. Nach einem langen Leidensweg ist es dann zur großen Überraschung und Bestürzung der Besitzer völlig unerklärlich an einem Magengeschwür gestorben... Überraschend deshalb weil es ja keinen Stress hatte und auch nicht auf Turniere etc. ging!
Bei meinem Besuch dieses Wochenende war die Box wieder bewohnt, und zwar von einem koppenden Pferd das aus Furcht und Aberglaube der anderen Einsteller (das eigene Pferd könnte sich ja etwas abschauen!) dort ohne jeglichen Kontakt zu Artgenossen gehalten wird. Die Besitzerin zeigt weder viel Engagement noch Interesse, und so verbringt das Pferd 98% seiner Zeit alleine in seiner Einzelzelle... Als wir es besucht hatten rülpste es uns traurig durch seine Gitterstäbe hindurch an. Klar, was sollte es den ganzen Tag dort sonst machen während es auf Futter wartet?! Allein der Blick war unsagbar traurig... Sowohl der Freund von mir als auch ich stimmten darüber ein dass es (sofern nicht eine unvorhergesehene Wendung eintritt) eigentlich kein gutes Ende in dieser nehmen kann.
Wer jetzt denkt ich habe ein Extrembeispiel aus einem vereinzelten Reitstall beschrieben, dem muss ich an dieser Stelle widersprechen: das ist nach wie vor die Realität an einem Großteil der deutschen Reitställe!!! Auf meinen endlosen Odyseen auf der Suche nach einem Stall den ich meinen Tieren und mir gegenüber vertreten kann habe ich mehr als genug davon gesehen. Ich bewerte positiv dass es zunehmend Insellösungen für (und von) Menschen wie Euch und mich gibt, aber das sind nach wie vor Insellösungen und noch kein Kontinent... Sehr bestürzend.
Grüße von einer, die ihr Leben auf der Insel sehr genießt,
Elke _________________ “Think for yourself. Question authority”. Timothy Leary |
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Caprivi Administrator
Alter: 65
Anmeldungsdatum: 11.10.2004 Beitrge: 2171
Wohnort: Fockbek in Schleswig-Holstein Entfernung: 0 km
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Verfasst am: 25.03.2013, 20:36 Titel: |
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Ich kann Dich sehr gut verstehen. Und ich bin noch mehr erschrocken, wenn ich über die Equitana gehe und manche Kommentare von Besuchern höre, die in der von dir erlebten Welt für sowas von normal halten. Immernoch werden zu kleine Boxensysteme angeboten, Zwangswerkzeuge einer soliden Ausbildung vorgezogen.
Aber ich denke die Zeit wird da Besserung bringen. Es gibt auch die ersten etablierten Tunierreiter, die ihren Pferden Auslauf und Herde gewähren. |
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carol_kaye1 Erfahrener Benutzer
Alter: 43
Anmeldungsdatum: 01.01.2010 Beitrge: 751
Wohnort: Großraum Stuttgart Entfernung: 0 km
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Verfasst am: 25.03.2013, 21:13 Titel: |
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Hallo Holger,
Caprivi hat Folgendes geschrieben: |
Es gibt auch die ersten etablierten Tunierreiter, die ihren Pferden Auslauf und Herde gewähren. |
Das stimmt, da kenne ich auch einige wenige persönlich sowohl im Western- als auch klassischen Bereich! Und bezeichnenderweise sind diese Menschen, die einen schönen Umgang mit ihren Tieren pflegen und darüberhinaus auf gute Haltung Wert legen genau die, die nicht nur ein bisschen, sondern so richtig erfolgreich sind! Mit einem motivierten, ausgeglichenen Teampartner arbeitet es sich eben gleich viel leichter...
Viele Grüße
Elke _________________ “Think for yourself. Question authority”. Timothy Leary |
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